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  • Franziskanerinnen in Zitnica, Bulgarien (Bild: «Kirche in Not (ACN)»)
  • Pater Jaroslaw Bartkiewicz OFM (Bild: «Kirche in Not (ACN)»)
  • Ein Mann mit einem Pferdewagen in Belozem, Bulgarien (Bild: «Kirche in Not (ACN)»)
  • Pater Jaroslaw Bartkiewicz OFM aus Bulgarien und Don Piero Corea von der MCI St. Gallen (Bild: «Kirche in Not (ACN)»)

Bulgarien – Kleine und arme katholische Minderheit

Pater Jaroslaw Bartkiewicz OFM aus Bulgarien weilte vom 23. bis 31. Januar 2021 in der Schweiz. Er feierte in diesen Tagen Gottesdienste und informierte in Predigten über das Leben in Bulgarien und die Projekte des Hilfswerks vor Ort.

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In seiner Jugend wollte Pater Jaroslaw Bartkiewicz Missionar in Asien oder Afrika werden. Das Schicksal hatte jedoch andere Pläne für ihn. Während seiner Zeit als Seminarist lernte er Ordensmänner kennen, die in Bulgarien tätig waren. Diese Begegnung prägte ihn und führte ihn in dieses Land. Die Bevölkerung von Bulgarien ist mehrheitlich orthodox (76 Prozent) und hat eine kleine muslimische Gemeinde (10 Prozent). Auf die rund 7 Millionen Bulgaren kommen weniger als 70 000 gläubige Katholik*innen (des lateinischen Ritus und des byzantisch griechisch-katholischen Ritus). Das sind knapp 1 Prozent der Bevölkerung.

«Der Plan Gottes»
Der zukünftige Pater, der aus der polnischen Stadt Ostrów Mazowiecka stammt, liess sich nach seiner Priesterweihe im Jahr 2005 in Bulgarien nieder. Heute sagt der 44-jährige Jaroslaw Bartkiewicz, dass dies sicherlich «der Plan Gottes» war.
Der polnische Missionar lebt im Franziskanerkloster in Pleven. Die Stadt befindet sich zwischen dem Balkangebirge und der Donau, dem Grenzfluss zu Rumänien. Er ist Rektor des neuen Marienheiligtums Muttergottes von Fatima, das im Jahr 2016 hauptsächlich dank der finanziellen Unterstützung von «Kirche in Not (ACN)» gebaut werden konnte. Er ist zudem Pfarrer in der Gemeinde mit dem gleichen Namen. Sie untersteht der lateinischen Diözese von Nicopoli. Der Bischofssitz ist in Russe an der Donau.

Wiederaufbau der Kirchgemeinde nach dem 45-jährigen kommunistischen Regime
Nach seiner Ankunft in Pleven wohnte Jaroslaw Bartkiewicz die ersten beiden Jahre in einer kleinen kargen Wohnung. Pleven hat mehr als 100 000 Einwohner*innen und ist geprägt von seiner kommunistischen Vergangenheit. Die erste Kapelle befand sich in einer alten Bar im Erdgeschoss des Wohnblocks von Pater Jaroslaw Bartkiewicz. Denn die Stadt selbst besass damals keine Kirche. Nach mehr als vier Jahrzehnten, in denen ein kommunistisches Regime herrschte, musste praktisch von null an begonnen werden.
Katholik*innen aus den umliegenden Dörfern arbeiteten in den Fabriken der Stadt Pleven. Es war wichtig, sie wieder in einer Kirche zusammenzuführen. Die ehemaligen führenden Kommunisten versuchten alles, um die Bewilligung für den Bau der Kirche bei den Behörden zu verzögern.
«Kirche in Not (ACN)» begleitete die Franziskaner beim Aufbau ihrer Kirchgemeinde von Anfang an. «Zuerst beteten wir in Häusern von Privatpersonen, manchmal feierten wir die Messe im Keller eines Wohnhauses. Fast wie zur Zeit, als wir den Glauben heimlich lebten», erinnert sich Magda Kaczmarek. Sie ist für KIN für diese Region von Osteuropa verantwortlich.

In Toleranz erprobt
«Ab dem 14. Jahrhundert und bis zum russisch-türkischen Krieg von 1877 bis 1878 stand Bulgarien unter der Herrschaft der Osmanen. Bulgarien wurde als Korridor von verschiedenen Völker genutzt», erklärt Pater Bartkiewicz. «Historisch gesehen ist Bulgarien ein Land mit verschiedenen Völkern und einer Vielzahl von Sprachen. Bulgar*innen sind sich Unterschiede gewohnt: Sie sind tolerant. Ich bin ein Mitglied einer Minderheitsreligion. Doch in den letzten 16 Jahren, seit denen ich hier lebe, gab noch nie einen Vorfall. Ich arbeite mit den Menschen. Ich habe noch nie ein Problem in Zusammenhang mit der Herkunft erlebt. Die nationalistischen Gruppen, die teilweise offen antisemitisch sind oder sich die Zeit zurückwünschen, in der Bulgarien mit Nazideutschland alliiert war, sind klar in der Minderheit», bestätigt er.

Herzliche Übereinkunft zwischen den Katholiken
Zwischen lateinischen und byzantinischen Katholiken besteht eine herzliche Übereinkunft. In Bulgarien ist die katholische Kirche in drei Diözesen aufgeteilt: die Diözese von Sofia und Plovdiv und diejenige von Nicopoli, beide von lateinischem Ritus, sowie das apostolische Exarchat von Sofia von byzantinischem Ritus. «Wir feiern zusammen und wir arbeiten zusammen im seelsorgerischen Bereich mit Jugendlichen und Familien. Wir sind eine katholische Kirche, auch wenn wir uns nach zwei verschiedenen Kalendern richten: der gregorianische Kalender für den lateinischen Ritus, der julianische Kalender für die Griechisch-Katholiken. Weihnachten feiern wir zusammen, Ostern hingegen nicht.»
Präsident der bulgarischen Bischofskonferenz ist Mgr Christo Proykov. Er ist der Bischof der Eparchie Hl. Johannes XXIII. in Sofia und Primas der bulgarischen griechisch-katholischen Kirche. Pater Bartkiewicz betont, dass die Beziehungen zwischen den beiden katholischen Kirchen in Bulgarien hervorragend seien. In Ländern wie der Ukraine oder in Rumänien sei dies nicht der Fall.

Gute Beziehungen zwischen den Religionen
Im Mai 2019 besuchte Papst Franziskus Bulgarien. Er ist der zweite Papst, der das Land besucht. Johannes Paul II. war im Jahr 2002 in Bulgarien. Der argentinische Papst Franziskus traf sich mit dem Neofit von Bulgarien, dem Patriarch der bulgarisch-orthodoxen Kirche. Am 27. Februar 2020 übergab Papst Franziskus dem Patriarchen Relikte des heiligen Klemens, ein Papst und Märtyrer, und des heiligen Potitus, ein Märtyrer. Nach alter Tradition stehen der heilige Klemens und der heilige Potitus in Verbindung mit Sardica (früherer Name der Stadt Sofia): Der heilige Klemens gilt als erster Bischof von Sofia.
Auch die Beziehungen mit den Orthodoxen sind gut. Am 17. Januar 2021 fand die Bischofsweihe von Mgr Rumen Ivanov Stanev, dem Weihbischof von Sofia-Plovdiv statt. Das orthodoxe Patriarchat schickte eine Delegation. Die Protestanten und die Muslime taten es ihm gleich. Pater Bartkiewicz ergänzt: «Jeder kennt die Unterschiede zwischen den verschiedenen Konfessionen und Religionen. Die Beziehungen zwischen ihnen sind grundsätzlich gut.»

Eine schwierige wirtschaftliche Lage
Gemäss den aktuellen Zahlen der Konföderation unabhängiger Gewerkschaften Bulgariens (KNSB) leben mehr als 2 460 000 Bulgar*innen, das heisst ein Drittel der Bevölkerung, unter der Armutsgrenze. Sie leben von rund 145 Euro pro Monat. Am stärksten betroffen sind die Pensionierten. Mehr als die Hälfte von ihnen leidet unter Armut.
«Tatsächlich ist das Land nicht reich, aber es gibt trotzdem Perspektiven für ausgebildete junge Bulgar*innen: insbesondere in der Telearbeit. Der Anreiz, in andere osteuropäische Länder auszuwandern, ist kleiner als noch vor zehn Jahren», stellt der franziskanische Missionar fest.
Viele Junge aus Pleven möchten im Land bleiben. Die Kirche tut in Anbetracht der sozialen Probleme im Land ihr Möglichstes: Die Kirchgemeinden organisieren die Verteilung von Lebensmitteln für Menschen in Not sowie eine medizinische Versorgung. «In Russe haben wir auch ein Obdachlosenheim», erzählt Jaroslaw Bartkiewicz.
Nach dem Fall des Kommunismus und der Wiedereröffnung der Kirchen entdeckten die Menschen die Religionsfreiheit wieder. Gleichzeitig wurde in der bulgarischen Gesellschaft und im ganzen Westen der Materialismus ausgeprägter. Pater Jaroslaw Bartkiewicz ergänzt: «Viele Menschen streben nach einem besseren Leben und konzentrieren sich dabei vor allem auf Konsumgüter. Erst danach folgen religiöse Werte.»
«Ohne Unterstützung von «Kirche in Not (ACN)» wäre es schwierig für unsere Kirche all das zu tun, was wir tun», meint er. Auch wenn die Covid-19-Pandemie – die bis zum 25. Januar 2021 schon 9000 Menschenleben gekostet hat – viele Unbekannte bringt, sieht Pater Jaroslaw Bartkiewicz «das Glas lieber halbvoll als halbleer».

(*) Auf Einladung des katholischen Hilfswerks «Kirche in Not (ACN)» besuchte Pater Jaroslaw Bartkiewicz vom 23. bis 31. Januar 2021 Kirchgemeinden in Graubünden und im Kanton St. Gallen.

Die Erinnerung an die Verfolgung
Unter dem kommunistischen Regime in Bulgarien wurden die katholischen Pfarrer beschuldigt, dass sie auf Anordnung des Vatikans antisozialistische Aktivitäten ausübten und die Oppositionsparteien unterstützten. Im Jahr 1949 wurde ausländischen Priestern verboten, Predigten zu halten. Dem apostolischen Nuntius wurde verboten, nach Bulgarien zurückzukommen. Während dieser Zeit brachen die Beziehungen zwischen dem Vatikan und Bulgarien ab. Anfang der 1950er-Jahre wurden die Besitztümer der katholischen Kirchgemeinden konfisziert und alle katholischen Schulen sowie katholischen Klubs wurden geschlossen. Die katholische Kirche verlor ihren Rechtsstatus.
In den Jahren 1951 bis 1952 wurden gegen Mitglieder der katholischen Kirche in Bulgarien, gegen Dutzende Diözesanpriester, gegen Kapuzinerbrüder und Assumptionisten sowie gegen Kleriker und Gläubige Prozesse geführt. Sie wurden verurteilt und bezichtigt «für westliche Geheimdienste zu arbeiten und für den Westen politische, wirtschaftliche und militärische Informationen gesammelt zu haben».
Nach einem Schauprozess in bester stalinistischer Tradition wurden im Hof des Zentralgefängnisses in Sofia am 11. November 1952 folgende Personen erschossen: Mgr Evgueni Bossilkov, Passionist und Bischof von Nicopoli (selig gesprochen durch Johannes Paul II. am 15. März 1998), sowie die Assumptionisten Kamen Vitchev, Pavel Djidjov und Josaphat Chichkov. Sie wurden am 26. Mai 2020 von Johannes Paul II. in Plovdiv selig gesprochen.