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  • Pater Raymond Abdo - vor einem Haus, das von der Explosion zerstört wurde
  • Die Flagge vom Libanon
  • Saint Charbel Makhlouf, O.L.M. (oder Sharbel Maklouf) (8. Mai 1828 - 24. Dezember 1898) war ein maronitischer Mönch und Priester aus dem Libanon. Während seines Lebens erlangte er einen breiten Ruf für Heilung und wurde von der katholischen Kirche heilig gesprochen. Viele libanesische Christen haben Gebetstücher gesegnet und legen sie dann auf die Kranken, um auf Fürsprache des Heiligen Charbel zu Gott um Heilung zu beten.
  • Father Raymond Abdo betet für die Opfer der Explosion.

„Der demographische Wandel darf nicht die Bedeutung der Existenz christlicher Gemeinschaften im Nahen Osten schmälern“

Der Libanon ist das Land mit dem höchsten Anteil an Christen im Nahen Osten. Das Internationale Hilfswerk ACN hat gerade eine Fünf-Millionen-Euro-Kampagne für den Wiederaufbau des Landes nach der schrecklichen Explosion vom 4. August angekündigt. Maria Lozano, Leiterin des internationalen Pressebüros des Hilfswerks, hat Pater Raymond Abdo interviewt, den Provinzial der Unbeschuhten Karmeliten im Libanon, um mehr über die Christen in diesem Land zu erfahren.

María Lozano: Auf der libanesischen Fahne ist die Zeder abgebildet. Warum ist sie das Symbol für das Land?
Pater Raymond
: Die Zedern des Libanon sind die Zedern, mit denen Salomo den Tempel Gottes errichtete, denn die Zeder duftet ähnlich wie Weihrauch. Der Baum kann 2000 Jahre alt werden; er ist ein Symbol für die Ewigkeit. Deshalb hat der Libanon die Zeder als Symbol für seine ewige Existenz gewählt.

Es wird oft angenommen, dass die Bevölkerung im Nahen Osten vollständig muslimisch sei. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Mehrheit der Bevölkerung des Libanon jedoch christlich. Wir wissen, dass die Zahl der Christen zurückgegangen ist, aber das Christentum ist immer noch im Land präsent. Stimmt das?

Ja, der Libanon ist Heiliges Land, weil Jesus im Libanon war. Der Name des Libanon wird in der Bibel 72 Mal erwähnt. Der jetzige demographische Wandel sollte diese Wirklichkeit nicht verdrängen. Der Libanon ist christlich, weil er seine Wurzeln bei Jesus Christus hat. Derzeit gibt es einen politischen Diskurs der Hisbollah, in dem fälschlicherweise behauptet wird, das Land Libanon sei muslimisch. Sie wollen sogar eine islamische Republik im Libanon gründen. Der demografische Wandel darf die Bedeutung der Existenz dieser Gemeinschaften nicht schmälern, nicht nur hier, sondern auch im Irak oder in anderen Ländern. Ob groß oder klein, diese Gemeinschaften sind eine Fortsetzung der Ära Christi bis in unsere Zeit. Die Bedeutung der Christen im Libanon ist nicht nur eine zahlenmäßige Bedeutung. Zahlen können sich stark ändern, aber der Kern dieser Kirche ist sehr wichtig und symbolisch.

Wo liegt der Ursprung des Christentums im Libanon? Die Religionsgemeinschaften stammen aus der Zeit der Apostel. Sie spalteten sich dann in sogenannte orthodoxe und katholische Christen, z.B. gibt es syrisch-katholische und syrisch-orthodoxe Christen. Einige von ihnen sind mit Rom uniert, andere wiederum nicht ...
Das Christentum im Libanon hat sein Ursprung in der Zeit Jesu Christi; die größte Kirche hier ist heute die maronitische Kirche. Sie ist in weltweiten Maßstäben klein, stellt jedoch im Land die Religionsgemeinschaft mit den meisten Gläubigen dar. Sie entstand mit dem heiligen Maron im 4. - 5. Jahrhundert. Die Gemeinschaft lebte zuerst in Syrien, in einer Region nahe dem Libanon. Im 8. und 9. Jahrhundert suchte sie jedoch im Libanon Frieden und Zuflucht, als sie vor der Verfolgung durch die Jakobiten floh. Seitdem gibt es eine maronitische Gemeinschaft, die sich durch eine sehr starke Identität der Treue zu Rom, zum Papst, auszeichnet.

Stimmt es, dass die maronitische Kirche nie gespalten und immer Rom treu war?
Sie ist die einzige Kirche, die sich nie aufgespalten hat. Maronitisch bedeutet so viel wie römisch-katholisch, auch wenn sie syrisch-maronitische Ostkirche genannt wird, weil in ihr die syrische Sprache gesprochen wird. Sie erlitt große Verfolgungen. Im 7., 8. und 9. Jahrhundert lebte sie völlig verborgen und isoliert in den Bergen. Erst im 11. Jahrhundert konnte sie wieder ans Tageslicht kommen.

Der Libanon hat sechs Millionen Einwohner, davon sind vier Millionen Libanesen; schätzungsweise 12 Millionen Libanesen leben jedoch außerhalb des Libanon. Es gibt große libanesische Gemeinschaften in Lateinamerika und den Vereinigten Staaten. Von welchen Zahlen reden wir?
In Brasilien leben fast sechs Millionen Libanesen. Es handelt sich um die größte Gemeinde libanesischer Herkunft. Es gibt auch große libanesische Gemeinden in Argentinien, in Mexiko, in Chile, in allen lateinamerikanischen Ländern, aber die Mehrheit befindet sich in Brasilien. In den Vereinigten Staaten leben mehr als zwei Millionen Libanesen. Die maronitische Kirche hat eine eigene Gesetzgebung und Struktur (sui iuris); sie hat ihren Patriarchen, ihre Bischöfe und Pfarreien in der ganzen Welt. Es gibt Hunderte von maronitischen Pfarrgemeinden weltweit. Soviel ich weiß, sind es fast 90 in den Vereinigten Staaten.

Viele Libanesen mussten ihr Land verlassen. Ist das eine Art Zeugnis dafür, was dieses Land erlitten hat? Stimmt es, dass die Auswanderungen nicht nur wirtschaftliche Gründe hatten, sondern dass viele Menschen das Land verlassen haben, weil die Kirche stark verfolgt wurde?
Ja, zu den Verfolgungen in den ersten Jahrhunderten, die ich bereits erwähnt habe, kamen viele Genozide an Christen vor dem Ersten Weltkrieg. Die größten gingen in den Jahren 1840 und 1860 unter der türkischen Regierung von den Drusen aus. Mir geht es nicht um Politik, mir geht es nur um Christus. Diese armen Menschen gingen weg, ohne zu wissen, wohin. Dort, wo das Schiff anhielt, blieben sie. Anfangs gingen die meisten von ihnen nach Argentinien, dann nach Brasilien und in die Vereinigten Staaten. Nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg wanderten viele Menschen in diese Länder aus. Deshalb gibt es jetzt in Brasilien eine große Gemeinde, aber auch in Europa, in Australien... Es leben 12 Millionen Menschen in der Diaspora. Ich glaube, wenn der Herr diese Menschen bittet, den Libanon zu verlassen, dann nur, um ein Zeugnis zu geben, um das Wort Gottes, die Erfahrung von Christus zu verbreiten.

Der Libanon musste mit ansehen, wie das Land durch Auswanderung ausblutete. Gleichzeitig hat es aber auch viele Menschen aufgenommen, die ebenfalls vor Kriegen und religiöser Verfolgung geflohen sind, zum Beispiel die Armenier im Jahr 1915.

Niemand will über diesen schrecklichen Völkermord sprechen. Das ist richtig: Ein Teil von ihnen kam in den Libanon, und sie sind bereits Libanesen. Seitdem sind sie ein integraler Bestandteil unseres Landes. Deshalb leiden wir auch sehr unter dem, was jetzt in Armenien geschieht, weil es uns an die osmanische Zeit erinnert. Nach ihnen kamen die Palästinenser, nach dem Krieg in Israel, weil sie geflohen waren oder aus dem Land vertrieben wurden. Noch heute gibt es im Libanon mindestens zehn palästinensische Flüchtlingslager. Sie haben ihre eigenen Gesetze, sie sind geschützt, sie haben eine besondere Gesetzgebung im Land, aber sie tragen zur Destabilisierung des Libanon bei, weil sich unter ihnen auch Terroristen befinden, die in den Flüchtlingslagern Zuflucht suchen.

Danach kamen Syrer und Iraker, wegen der Invasion des Islamischen Staates im Irak und des Krieges in Syrien. Dies hat den „Status quo“ im Libanon destabilisiert. Ist dies mit ein Grund für die Konflikte, unter denen das Land leidet?
Die Wirtschaftslage ist sehr kritisch; die Infrastruktur des Landes erlaubt es nicht, so viele Menschen zu versorgen. Zum Beispiel können wir nicht den ganzen Tag Strom haben, weil die Versorgung nicht jeden erreicht. Allein der Stromverbrauch verursacht große Kosten und es gibt noch viele andere Dinge. Die Infrastruktur des Landes ist sehr eingeschränkt, und die Menschen sind zahlreich. Dies ist die Ursache für die Wirtschaftskrise, für die großen sozialen Probleme und politischen Spannungen, von denen wir nicht wissen, wohin sie führen werden.  Nun hat sich diese Situation aufgrund der Gesundheitskrise durch COVID19 und durch die wahrgenommene unzureichende Sicherheitslage noch weiter verschlechtert.